Veröffentlichung des wissenschaftlichen Beitrags zur verfassungskonformen Auslegung von § 46 BRAO in der Fachzeitschrift der Bundesrechtsanwaltskammer BRAK-Mitt

Dr. Harald Kollrus veröffentlichte in BRAK-Mitt. 2013, Seite 98 einen wissenschaftlichen Beitrag, der sich mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen das anwaltliche Tätigkeitsverbot gem. § 46 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) noch als verfassungskonform gelten kann.

 

Um die anwaltliche Unabhängigkeit zu gewährleisten, normiert § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO das Tätigkeitsverbot, dass ein Anwalt, der „in einem ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnis“ rechtsbesorgend befasst war, nach Beendigung dieses Beschäftigungsverhältnisses in gleicher Angelegenheit als freier Anwalt nicht mehr forensisch tätig sein darf. Bei uneingeschränkter Anwendung würde dieses Tätigkeitsverbot die in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) geschützte Berufsausübungsfreiheit beeinträchtigen. Die Grundrechtsschranke für diese Berufsausübungsbeschränkung muss in ausreichenden Gründen des Gemeinwohls liegen. Dafür kommt in concreto nur die Sicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit (§§ 1, 3, 43a Abs. 1 BRAO) in Frage. In Rechtsprechung und Literatur wird nun die alles entscheidende Frage kontrovers diskutiert, wo die Grenze für die Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit zu ziehen ist.

Legt man dieser Frage das formaljuristische Verständnis des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zugrunde, so geht von dem Beschäftigungsverhältnis keine Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit aus, solange ein Dritter auf die anwaltliche Tätigkeit von Syndikusanwälten rein rechtlich keinen Einfluss nehmen kann. In Fällen, in denen der Fortbestand der anwaltlichen Unabhängigkeit vermutet werden darf , müsste somit erst eine konkrete Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit nachgewiesen werden, damit dem Anwalt seine Tätigkeit verboten bleibt. Von der anwaltlichen Unabhängigkeit kann grds. dann ausgegangen werden, wenn die Syndikustätigkeit beendet wurde oder wenn die erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Vorkehrungen getroffen wurden, so dass die Rechtsabteilung eines Unternehmens insofern einer unabhängigen Anwaltskanzlei gleichgestellt werden kann.